Das Finanzamt kann die Gestattung der Ist-Besteuerung zurücknehmen, wenn der Unternehmer unrichtige Angaben hinsichtlich seines voraussichtlichen Gesamtumsatzes gemacht hat. Die Höhe des Gesamtumsatzes im Gründungsjahr ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu ermitteln und auf das gesamte Jahr hochzurechnen; dabei sind die Grundsätze der sogenannten Soll-Besteuerung anzuwenden, so dass es auf die Erbringung der Leistung des Unternehmers und nicht auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt.

Hintergrund: Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer mit der Ausführung der Leistung, so dass es auf die Bezahlung durch den Kunden nicht ankommt (sogenannte Soll-Besteuerung). Auf Antrag kann der Unternehmer die sogenannte Ist-Besteuerung anwenden, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Unter anderem darf sein Gesamtumsatz nicht über 600.000 € liegen (bis einschließlich 2019 lag die Grenze bei 500.000 €).

Sachverhalt: Die Klägerin war eine am 20. September 2011 gegründete GbR, die Photovoltaikanlagen errichtete. Sie beantragte beim Finanzamt die Ist-Besteuerung und erklärte, dass sie im Jahr 2011 voraussichtlich Umsätze in Höhe von 30.000 € erzielen würde. Das Finanzamt gestattete daraufhin am 15. Dezember 2011 die Ist-Besteuerung. Die Klägerin hatte allerdings im November 2011 bereits einen Vertrag über die Errichtung einer Photovoltaikanlage zum Gesamtpreis von ca. 1.258.000 € netto abgeschlossen und für die Montage ein Teilentgelt von 450.000 € zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Im Dezember schloss sie die Montage ab und stellte ihrem Auftraggeber 450.000 € zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Der Auftraggeber zahlte ihr noch im Jahr 2011 einen Teilbetrag von ca. 78.000 €. Als das Finanzamt davon erfuhr, nahm es die Gestattung der Ist-Besteuerung zurück.

Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:

  • Die Gestattung der Ist-Besteuerung war rechtswidrig, weil der voraussichtliche Gesamtumsatz der Klägerin den im Jahr 2011 gültigen Höchstbetrag von 500.000 € übersteigen würde. Im Jahr der Gründung ist der tatsächliche Umsatz nach den tatsächlichen Verhältnissen des Unternehmers zu ermitteln und auf das Jahr hochzurechnen.
  • Hierbei gelten die Grundsätze der Soll-Besteuerung, so dass es auf die Ausführung der Leistungen/Teilleistungen der Klägerin ankommt. Die Ist-Besteuerung gilt nicht, weil die ursprüngliche Gestattung zurückgenommen worden ist.
  • Aufgrund ihres Vertrags über die Errichtung einer Photovoltaikanlage konnte die Klägerin jedenfalls mit einem Teilentgelt für die Montage in Höhe von 450.000 € rechnen. Unbeachtlich ist, dass sie das Entgelt im Jahr 2011 nur teilweise, nämlich in Höhe von 78.000 €, erhalten hat; denn die Ermittlung des tatsächlichen Umsatzes im Jahr 2011 richtet sich nach der Soll-Besteuerung, also auf Grundlage der ausgeführten Leistungen/Teilleistungen.
  • Da die Klägerin im September gegründet wurde, im Jahr 2011 also nur vier Monate existierte, war der zu erwartende Umsatz von 450.000 € auf das gesamte Jahr hochzurechnen, so dass sich ein Gesamtumsatz von 1.350.000 € ergab, der deutlich über der damaligen Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung von 500.000 € lag.

Hinweise: Für die Ermittlung des Gesamtumsatzes im Gründungsjahr zwecks Ist-Besteuerung gelten ähnliche Grundsätze wie für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Gründungsjahr. Beim Kleinunternehmer wird ebenfalls der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresumsatz umgerechnet und dann geprüft, ob die hier geltende Umsatzgrenze eingehalten wird.